Rundfunkgeschichte für die Zukunft bewahren

RadioMuseum Köln e.V.

Das „Grundig“
Kindheitserinnerungen von Maria Bruske-Schmachtenberg aus Köln:
Wenn wir auch ein eigenes Haus besaßen, so bewohnten wir, genau genommen nur ein Zimmer, die Küche. Sie war mit allem ausgestattet, was für unser spärlich stattfindendes Familienleben vonnöten war. Wenn ich in Gedanken die Zimmer durchwandere, dann sehe ich mich, im Bett liegend, mit dem Zeigefinger das Tapetenmuster nachzeichnen und lauschte dabei den Stimmen, die nebenan aus dem Radio herüber klangen.
Ein eigens für das Grundig angebrachtes Hängeregal war der Platz für das kostbare Gerät. Der dreieckige Zipfel eines selbstgestickten Tuches, hing von oben herab.
Unter dem Grundig stand das wichtigste Möbelstück des Hauses. Unser „Scheselong“ oder, genauer gesagt mein „Scheselong“, sozusagen das Privileg des Nesthäkchens. Es war von mir nur kletternd zu erreichen, und wenn ich einmal dort saß, kam ich nicht so schnell wieder weg. Hier saß ich – meist kniend – oder auf einem Berg von Kissen bei den gemein-samen Mahlzeiten, hier lag ich, wenn ich krank war – und ich war häufig krank – hier, und das waren die schönsten Augenblicke, lümmelte ich herum, wenn das Grundig angeschaltet war.
 
Im Winter, wenn im Küchenherd das Feuer prasselte, wenn von unseren Kinderhandschuhen die Eisklumpen herunterfielen und zischend auf der Herdplatte tanzten, wenn die Essensdünste noch im Raum hingen und der Wasserkessel seine Melodie summte, dann kam die seltene Stunde der Behaglichkeit in unser Haus.
Meinem Vater gewährleistete die harte Arbeit als Waldarbeiter einen frühen Schlaf und so kam es zu den kostbaren Augenblicken, wo ich meine Mutter ganz für mich allein hatte.
Es war die Stunde, wo Frieden einkehrte in unser Haus, wo die Hetze des Tages ein Ende hatte, wo so etwas Geborgenheit aufkommen konnte.
Meine Mutter hatte immer irgendein Strickzeug in den Händen und so verschmolzen das leise Klimpern der Nadeln und die Stimmen aus dem Grundig zu einem Ton.
Mir klingt noch, als wäre es gestern gewesen, die Stimme von Hans Clarin im Ohr, der den Simplicius Simplissimus vorlas. Wir hörten alle Folgen davon. Wir lauschten den Buddenbrocks oder schauderten beim Krimi am Samstagabend mit Paul Temple, für den ich länger aufbleiben durfte.
Da ein kulturelles Leben bei uns nicht stattfand und es nur wenige Bücher in unserem Haus zu lesen gab, eröffnete mir das Grundig den Zugang zu Literatur und klassischer Musik.
Mein Vater hatte ohnehin nichts übrig für Klassik und so lauschten meine Mutter und ich allein der Kleinen Nachtmusik, der Moldau oder der Mondscheinsonate. Und neben der Stimme von Rene Deltgen und Hans Clarin und dem leisen Pling-Pling der Stricknadeln, drang unhörbar etwas anderes, kostbares und daher Unvergessliches in mein Herz.
Meine Mutter war keine feinsinnige Frau. Wer sie kannte, wusste, dass sie schuftete bis zum Umfallen. Immerzu war sie in Bewegung. Sie arbeitete im Garten, fütterte die beiden Schweine, wusch unsere Wäsche, hobelte Weisskohl für das Sauerkraut, sie schlachtete Hühner und verteilte Jauche aus der Grube im Garten. Im Sommer bekamen wir sie kaum zu Gesicht und bis zum Dunkelwerden sah man ihren gekrümmten Rücken in Erdbeerbeeten und Kartoffelreihen. Erst im Spätherbst oder im Winter gönnte sie sich die Abende am Grundig.
Ist es daher verwunderlich, dass mir der Herbst und Winter auch heute noch die liebsten Jahreszeiten sind ?
Grundig-Zeit bedeutete Nähe zu meiner Mutter und gleichzeitig ein Hinaustreten in eine andere Welt, bedeutete sich verbunden fühlen mit einer unsichtbaren, seelenverwandten Hörergemeinschaft.
Es gab Grundig-Zeiten mit meiner Mutter, wenn auch seltener, Grundig-Zeiten mit meinem Vater. Später gab es Grundig-Zeiten für meine Schwester und mich.
Sonntags um vierzehn Uhr saß die ganze Familie zusammen und lauschte im Kinderfunk den Abenteuern von Kater Mikesch und Kalle Blomquist, dem Meisterdedektiv.
Im Winter, wenn mein Vater „Stempeln“ ging, weil er wegen des Schnees nicht arbeiten konnte, hörten wir im Schulfunk „Neues aus Waldhagen“ – eingeleitet durch die Melodie vom Papageno aus der Zauberflöte, oder am Abend „Zwischen Rhein und Weser“, dessen Eingangsmelodie ich ebenfalls noch heute summen kann. Samstag hörte ich alle Karl May-Geschichten mit meinem Vater. Am Samstagabend aber, nach Karl May und vor dem legendären Bockwurst-Essen, gehörte meinem Vater das Grundig allein. Dann mussten wir uns auf Zehenspitzen bewegen und wir beteten, Schalke möge gewinnen, weil der Auf- bzw. Abstieg dieser Mannschaft das häusliche Klima erheblich bestimmte.
Im Teenager-Alter versäumten meine ältere Schwester und ich keine „Schlagerbörse“ mit Hanns Verres und als die Beatles Einzug in unsere Küche hielten, kam es zum regelrechten Grundig-Kampf mit meinem Vater. Cliff Richard, Gus Backus und Roy Black ertrug er willig, aber bei den Beatles verstand er keinen Spaß. Wann immer er das Yeah, Yeah, Yeah vernahm, drückte er erbarmungslos die Aus-Taste.
Am Heiligabend saßen wir, nach dem unvermeidlichen Sauerkraut mit Mettwurst-Essen, am Tisch und vor der Bescherung, wenn die Spannung nahezu ins Unerträgliche wuchs, weinten wir alle miteinander mehr oder weniger heftig, wenn die Grüße von der Waterkant über den Äther gingen. Wenn Hein Büttel seine Mutter in Bremerhaven grüßte und Hannes seiner Marie einen Schmatz von hoher See zukommen ließ, blieb kein Auge trocken.
In der Silvesternacht genossen meine Mutter und ich Beethovens Neunte und nippten an der obligatorischen Erdbeerbowle. Das war immer etwas ganz Besonderes.
Mit der Anschaffung des Fernsehers wurde das Ende der Grundig-Ära eingeleitet. Mein Vater, der sich am längsten gegen die „Glotze“ gestellt hatte, war derjenige, der nun am meisten davor hockte.
Vorbei war nun das traute Zusammensein am Grundig. Die Flimmerkiste beherrschte von nun an das Geschehen. Hatten wir eben noch bestürzt den aufgeregten Kommentaren zum Kennedy-Attentat gelauscht oder die Kuba-Krise mit Furcht und Schrecken im Äther verfolgt, so konnten wir nun die ersten Schritte auf dem Mond auf der nagelneuen Mattscheibe verfolgen.

Irgendwann verschwand der geliebte Grundig-Kasten und das Leben in der Küche verlagerte sich – weil es nun eine Heizung im Hause gab – ins Wohnzimmer. Etwas ging in dieser Zeit unwiederbringlich verloren. Wenngleich nun ein gewisser Luxus ins Haus einzog, die Zimmer geheizt und ein Telefon angeschafft war, wurde das Leben doch ein klein wenig ärmer.

Die Menschheit ist schon seit Urzeiten mit Neugierde und Erfindergeist gesegnet. Von der Entdeckung des Feuers bis zur ersten brauchbaren Dampfmaschine im Jahr 1712 vergingen locker 700 000 Jahre. Nur ca. 200 Jahre brauchte die Menschheit um danach die Elektrizität und deren physikalische Eigenschaften zu entdecken. Tonaufzeichnungen, drahtlose Ton- und Bild Übertragungen  wurden selbstverständlich. Zahlreiche Relikte, Dokumente und Geräte der unterschiedlichen Zeitepochen und Fortschrittsstufen und auch technisches Wissen werden in Museen wie das unsere erhalten und bleiben dadurch für unsere Nachwelt zugänglich.

Vom ersten illegalen Weihnachtskonzert im Dezember 1920 bis heute liegen rund 100 Jahre Entwicklungsgeschichte des Rundfunks und der dazugehörigen Technik. Jedes unserer Ausstellungsstücke aus aller Herren Länder hat eine individuelle Geschichte und dokumentiert den Stand der Technik seiner Zeit.

Mit Grammophonen, Phonografen und Plattenspieler wird eindrucksvoll die Geschichte der Schallplatte dokumentiert.

Zahllose Ausstellungsstücke von der Drahttontechnik bis zur REVOX Tonbandmaschine A77 belegen die Entwicklungsgeschichte der Magnettonaufzeichnungstechnik.

Eine der ersten drahtlosen Nachrichtenaussendungen mit Hilfe eines Knallfunkensenders können wir mit Hilfe eines Nachbau eindrucksvoll demonstrieren.

Ebenso können wir die Arbeitsweise der nach dem Elektropionier und Wechselstromspezialisten Tesla benannten Teslaspule bestaunen, wenn es zischt und die Blitze zucken.

Ende 2015 ist in Deutschland der letzte Mittel, Kurz und Langwellensender abgeschaltet worden. Seitdem schweigen bei uns alle AM Radios in unserer Landessprache. Bei uns erlebt die Mittelwelle ein Revival und im Gelände des Radiomuseum können einige kultige Sender auf ihren Originalfrequenzen und Originalaussendungen während der Öffnungszeiten empfangen werden.

Wer erinnert sich da noch an „die großen Acht von Radio Luxemburg“ oder „Hallo Twen“ mit Manfred Sexauer auf der Europawelle Saar?

Ansonsten sind Langewelle, Mittelwelle und die Kurzwellenfrequenzen hier in Mitteleuropa leider tot. Wirklich? Wer noch über ein Radio, welches diese Wellenbereiche empfangen kann, wird überrascht sein wie viele AM Sender, besonders in den Abendstunden noch hörbar sind. In den USA wird auf Mittelwellenfrequenzen sehr häufig Lokalradioprogramme ausgesendet. In Europa haben die Niederländer die Kultur ihrer Piratensender wiederentdeckt und die sind auch hier manchmal in den Nachtstunden auf den oberen Mittelwellenfrequenzen zu hören, nur mit deutschsprachigen Stationen sieht es schlecht aus.

Aber auch hier passiert etwas. Auf der Kurzwelle im 49 m Band auf der Frequenz 6150 Khz kann man täglich von 7 bis 17 Uhr in deutscher Sprache Radio Europa 24 hören. Das Programm besteht aus viel Musik, Nachrichten und Wettervorhersagen  für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der Sender befindet sich in Datteln und ist hier in der Kölner Umgebung  mit einer guten  Antenne zu hören. Ich kann den sogar im Keller mit einem alten Nordmende Camebridge Kofferradio ohne Zusatzantenne empfangen, aber mit erheblicher Qualitätseinbuße.

Auf der Frequenz 6070 Khz sendet jeden 2.Sonntag im Monat Radio SM Dessau. Auch hier wird viel Musik gesendet. Abgerundet wird deren Programm mit Wortbeiträgen über Alles was mit Radio in Ost und West zu tun hat. Termine findet man im Internet hier:

 https://www.smradio-dessau.de/

Für die Aussendung wird der Kurzwellensender Rohrbach Waal angemietet. Hierüber finden auch Ausstrahlungen des DARC und  einige andere Kleine Radiostationen auch in deutscher Sprache statt. Vielleicht erleben wir ja doch einmal eine  Renaissance des guten alten AM Radios. Außer Sender und Empfänger bedarf es keinerlei zusätzlicher Technik um Informationen und Musik weltweit zu übertragen. Dieser Vorteil wird in den Zeiten des www meist nicht erkannt und geschätzt. 

Klaus Ullrich

  

    

 

Hier sehen Sie eine verkleinerte Auswahl von den Geräten, die bei uns im Bestand sind.
Auf Beschreibungen der einzelnen Geräte wurde hier verzichtet.

 Grammophon ohne Bezeichnung Gritzner AG orfe
Klingsor
 
Telefunken Koffer TP100b Golf
 

 

 

Hier stellen wir Ihnen einige von unseren Kooperationspartner und andere interessante Internetseiten vor, die sich über einen Besuch von Ihnen freuen.

 

  radiomuseum-olen.be Olens Radiomuseum
  gfgf.org Wir sind über 2000 Mitglieder, vor allem natürlich aus Deutschland, aber auch aus allen angrenzenden europäischen Ländern und auch aus Übersee. Die GFGF hat Kontakte zu gleichartigen Interessengemeinschaften anderer Länder, zu Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen.
  rdtev.de                                         Ring der Tonband- und Videofrende. e.V.
Der moderne Verein mit Tradition - Gegründet 1957
  radiomuseum.org Auf der Homepage bzw. Suchseite finden Sie gezielt historische Radios plus alte Radios weltweit. Radio ist das Thema. - Aber auch der antike Kristall-Detektor, alte Rahmenantennen, Lautsprecher, historische Netzgleichrichter, Werkstattgeräte, Hi- FI-Verstärker, Plattenspieler, Mikrofone, Tonbandgeräte, militärische Übermittlungsgeräte (Boat- Anker), kommerzielle Empfänger etc.
  funkerberg.de Der Funkerberg in Königs Wusterhausen. Die Geburtsstätte des Rundfunks in Deutschland

Hier sehen Sie eine verkleinerte Auswahl von den Geräten, die bei uns im Bestand sind.
Auf Beschreibungen der einzelnen Geräte wurde hier verzichtet.

 AEG Detektor Detektor Eigenbau
Eswe Detektor 
Friho Detektor 1
 

 

 

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